Raiffeisenforum 2013

"Die Kunst des lebenslangen Lernen" oder: Wie leichte Schläge auf den Hinterkopf das Denken fördern.

Neustadt. Reihenweise räumt der Mann mit der akkurat gebundenen Fliege, der sein Arbeitsleben der künstlichen Intelligenz widmete, mit Vorurteilen auf. Reihenweise zieht der deutscher Informatiker und emeritierte Professor mehr als 600 Zuhörer beim Raiffeisenforum der Raiffeisenbank Neustadt in seinen Bann. Hörbar macht es klick im Kopf, wenn der 64-Jährige über die hohe Kunst des lebenslangen Lernens berichtet.


Annähernd 100 Prozent des Auditoriums scheinen das erste Vorurteil des Abends noch aus der eigenen Schulzeit zu kennen: „Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen.“ Aber, so Thomas Christaller, lange Jahre Professor für künstliche Intelligenz und bis 2010 Leiter des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme in Sankt Augustin: Die unterschwellige Drohung entspricht der wissenschaftlichen Wahrheit. „Was geschieht bei einem leichten Schlag auf den Hinterkopf? Sie schließen die Augen“, berichtet der 64-Jährige. Die Folge: Das Gehirn ist frei von äußeren Einflüssen und könne in Ruhe nachdenken. „Wer die Augen geschlossen hat, muss nicht zwangsläufig schlafen – er denkt nach“, meinte Christaller.


Damit das Gehirn – übrigens laut Referent bei Männern rund 1,3 Kilo schwer, bei Frauen etwa 200 Gramm weniger – im Alter nicht zur Last wird, sei ein „gehirnfreundlicher Lebensstil“ vonnöten. Und der ist – noch ein Vorurteil – nicht alleine mit dem Lösen von Kreuzworträtseln zu leisten. „Die taugen für die Fitness des Hirns nichts“, ist sich der Ruheständler sicher – zu viel Routine hafte der Suche nach den immer gleichen Begriffen inne.


An erster Stelle nannte der „Roboterpate“ die Wichtigkeit von sozialen Kontakten – nicht nur im Alter. „Darum ist Mobbing so schlimm“, so Christaller. Sein Credo: „Sei gütig und verzeihe.“ Ebenso halte der viel beschworene „gesunde Geist“ graue Zellen in Schwung – ein Vorurteil, das stimmt. Bis zu 12 000 Schritte seien am Tag zu tun – was fünf Kilometern entspricht. Die dann aufgezählten Aktivitäten lösten unterschiedliche Reaktionen bei den Zuhörern aus: Tanzen beanspruche das Hirn ebenso wie Gartenarbeit, Stricken, Aerobic, Gymnastik und Yoga. „Und benutzen Sie beide Körperseiten: Putzen Sie heute mal mit links die Zähne.“


Gut fürs Alter sind überdies maßvolle Ernährung und Spiritualität. Unter Letzterem versteht der Hobby-Aikidokämpfer etwa, bewusst zu meditieren. „Lernen Sie, Nein zu sagen und beobachten Sie die Affenbande der Gedanken.“ Ebenso hilfreich sind übrigens Reisen, Fremdsprachen, Brettspiele, anspruchsvolle Musik und das Lösen echter Probleme. „Ich überlasse Ihnen, was Sie darunter verstehen.“


Apropos Alter: Bevor der Wissenschaftler seine Tipps gegen das Altern preisgab, berichtete Norbert Weber, Leiter der Vermögensbetreuung der Raiffeisenbank Neustadt, über die Arbeit des Seniorenkundenbeirats der Bank. Auf Initiative der Beiratsmitglieder hat das Geldinstitut ein Paket geschnürt, wie Menschen im Herbst ihres Lebens in einer seniorenfreundlichen Wohngenossenschaft unter einem Dach leben können. Gemeinsam mit Gemeinden der Region könnte dieses Wohnprojekt mit 15 bis 20 hochwertigen, barrierefreien Wohneinheiten bald umgesetzt werden, meinte Weber.


RZ Linz, Neuwied vom Donnerstag, 24. Oktober 2013, Seite 19

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